Prof. Dr. Werner E. G. Müller und Dr. Silvia Tschauder
Dr. Werner E. G. Müller entwickelt in seinem dritten ERC-PoC-Projekt "ArthroDUR" eine auf anorganischen Biopolymeren beruhende Methode zur Behandlung von Knorpelschäden und Osteoarthritis, die auf den Ergebnissen seines Advanced Grant aufbaut.
Univ.-Prof. Dr. Werner E. G. Müller entwickelt in seinem dritten "ERC Proof of Concept"-Projekt "ArthroDUR" eine neuartige, auf anorganischen Biopolymeren beruhende Methode zur Behandlung von Knorpelschäden und Osteoarthritis, die auf den Ergebnissen seines "ERC Advanced Grant" aufbaut. Beim Projektmanagement an der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz unterstützt ihn die EU-Referentin Dr. Silvia Tschauder.
Kurzinformationen zum Projekt
Akronym und Titel: "ArthroDUR: Bifunctional and regeneratively active biomaterial: Towards an ultimate solution for osteoarthritis treatment"
Principal Investigator: Univ.-Prof. Dr. Werner E. G. Müller
Forschungskoordination: Univ.-Prof. Dr. Werner E. G. Müller
Gasteinrichtung: Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Beschreiben Sie Ihr "Proof of Concept"-Projekt in drei Sätzen.
Knochen- und Gelenkerkrankungen zählen zu den wichtigsten medizinischen Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft. Oft beginnen sie mit einer Schädigung des Knorpels. Unbehandelte Knorpeldefekte können zu Osteoarthritis und fortschreitender Zerstörung des Gelenkknorpels führen. In meinem ERC Advanced Grant "BIOSILICA" entwickelten wir das erste morphogenetisch aktive Biomaterial, Biosilica, das in der Lage ist, über eine differentielle Genexpression eine Zellregeneration und -Differenzierung auszulösen. Das Konzept meines ERC-PoC-Projekt besteht darin, Biosilica mit einem weiteren morphogenetisch aktiven anorganischen Biopolymer, langkettigem Polyphosphat, zu kombinieren, um Knorpeldefekte wirksam zu behandeln und der Entstehung einer Osteoarthritis vorzubeugen.
Was macht Ihr Projekt "exzellent"?
Eine zufriedenstellende Methode zur Heilung von Osteoarthritis oder zur Verhinderung des Fortschreitens der Erkrankung existiert bisher nicht. Uns gelang es erstmalig zwei Materialien aufzufinden, die die einzigartige Eigenschaft besitzen, morphogenetisch aktiv zu sein: anorganisches, enzymatisch gebildetes Biosilica und ebenfalls anorganisches, über das ubiquitäre Enzym alkalische Phosphatase abbaubares und Energie lieferndes Polyphosphat. In einem neuartigen Ansatz sollen amorphe Mikropartikel aus diesen beiden ungewöhnlichen Materialien hergestellt werden. Erwartet wird ein zweifacher Effekt: Erstens die Auflösung von Knochensplittern nach Injektion in die Gelenkkapsel und damit Linderung der Schmerzen und zweitens die Reparatur des geschädigten, normalerweise nur schlecht mit Sauerstoff und Energie versorgten Knorpels. Somit wird eine kausale Therapie bei Osteoarthritis möglich.
Was bringt Ihnen als Wissenschaftler die ERC-Förderung?
Die relativ hohe finanzielle Förderung über einen Zeitraum von fünf Jahren in einem ERC Advanced Grant ermöglicht es, auch größere, ehrgeizige und risikohafte sowie die Einführung neuer Technologien erfordernde Projekte durchzuführen, die nicht kurzfristig zu einem Ergebnis führen müssen, aber längerfristig, bis Projektende, einen bedeutenden Erkenntnisgewinn und wissenschaftlichen Durchbruch bringen. Es besteht keine Beschränkung auf ein bestimmtes Topic wie bei vielen anderen EU-Ausschreibungen. Der Wissenschaftler selbst kann frei entscheiden, welches Thema er – entsprechend seiner Exzellenz – für das beantragte Projekt wählt. Daneben erhöht ein solches Projekt das Ansehen des Wissenschaftlers, was sich unter anderem in vermehrten Einladungen zu Publikationen in renommierten Fachzeitschriften oder zu Hauptvorträgen auf internationalen Kongressen widerspiegelt. Ein ERC-PoC-Projekt motiviert darüber hinaus den Wissenschaftler, produktorientiert im Hinblick auf die Anforderungen des Marktes und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen seiner Ergebnisse zu denken.
Was war die größte Herausforderung bei der Antragsvorbereitung?
Bei einem ERC-Antrag steht die Exzellenz im Vordergrund – sowohl des Wissenschaftlers als auch des vorgeschlagenen Projektes. ERC-Anträge sind hochkompetitiv und bedürfen intensiver Vorbereitung. Bahnbrechende Ergebnisse in der Vergangenheit allein genügen nicht. Das dem beantragten Projekt zugrundeliegende Konzept muss sowohl zu einem bedeutenden wissenschaftlichen Durchbruch führen als auch visionär und von weitreichender wissenschaftlicher oder gesellschaftlicher Relevanz sein. Es müssen Ergebnisse erzielt werden, die weit über den Stand der Wissenschaft hinausgehen, zugleich aber auch realistisch, das heißt innerhalb der Laufzeit des Projektes erreichbar sind. Dies muss für die Gutachter deutlich werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dies alles überzeugend auf einer beschränkten Zahl von Seiten darzustellen. Das heißt, jeder Satz muss wohl überlegt und perfekt formuliert sein. Bei einem ERC-PoC-Antrag ist darüber hinaus die Darstellung des kommerziellen Aspekts extrem wichtig – die Gutachter hier sind nicht nur Wissenschaftler, sondern kommen auch aus der Wirtschaft – eine große, oft nur schwer zu meisternde Herausforderung für jeden an der Universität forschenden Wissenschaftler. Beim ERC Proof of Concept beträgt die Laufzeit nur 12 bis 18 Monate. Es muss begründete Aussicht bestehen, dass das Ziel innerhalb dieses kurzen Zeitrahmens erreicht werden kann.
Wie haben Sie vom ERC erfahren?
Über die Möglichkeit einer ERC-Förderung wurde ich vor vielen Jahren vom EU Office der Universitätsmedizin Mainz informiert und zu einer Antragstellung ermuntert. Die Erforschung der enzymatischen, an der Biomineralisation beteiligten Prozesse in meinem ERC Advanced Grant "BIOSILICA" führten dann zur Entdeckung der Grundlagen für drei medizinisch anwendbare, kommerzialiserbare Produkte. Zur Abklärung des kommerziellen Potenzials konnten für alle drei Produkte (je ein Material zur Knochenreparatur, zur Herstellung künstlicher Blutgefäße und jetzt: zur Heilung von Knorpeldefekten) erfolgreiche PoC-Anträge gestellt werden.
Welche Tipps würden Sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geben, die erstmalig einen Antrag planen?
Der wichtigste Schritt ist die Entwicklung eines überzeugenden Konzepts – hier sollte die Wissenschaftlerin oder der Wissenschaftler am besten in der Diskussion mit Fachkolleginnen und -kollegen herausfinden, ob die Idee auch andere begeistert und die erwarteten Ergebnisse wirklich als wissenschaftlicher Durchbruch empfunden werden. Hilfreich ist es mit "erfolgreichen Kollegen" die Strategie zu besprechen. Hier kann sich der Antragsteller oder die Antragstellerin ein Bild davon machen, welch hohe Anforderungen an einen solchen Antrag gestellt werden und wie andere Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler ihren Antrag aufbauen und argumentieren. All dies erfordert einen hohen Zeitaufwand, mehr als vielleicht anfangs angenommen. Bei einem ERC-PoC-Antrag ist es darüber hinaus hilfreich, insbesondere wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin keine Erfahrung in der Entwicklung kommerzieller Produkte besitzt, die Idee mit Kolleginnen und Kollegen aus Industrie oder Wirtschaft zu diskutieren, um eine realistische erfolgversprechende Verwertungsstrategie zu entwerfen.
Dr. Silvia Tschauder
Wie unterstützen Sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der "ERC Proof of Concept"-Antragstellung?
Alle unsere ERC-Grantees werden von uns auf die PoC-Förderlinie aufmerksam gemacht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die während der Laufzeit ihres ERC-Grants oder spätestens ein Jahr nach Projektende ein Forschungsergebnis vorkommerziell verwerten wollen, können sich mit ihrer Antragsidee an mich wenden. Da das Marktpotential einer solchen Idee im Fokus steht, beziehe ich die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Technologietransfer in die Antragsberatung und Diskussion mit ein. Ich versuche, möglichst früh schon ein Feedback zum Antrag zu geben und bei den mehr formellen Teilen des Antrags auch Mustervorlagen zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel Ethics Self Assessment. Je nach verfügbarer Zeit gibt es mehrere Feedbackrunden. Darüber hinaus helfe ich bei der Budgetplanung – zusammen mit der Drittmittelabteilung –, und beim Ausfüllen der Formulare im Funding & Tenders Portal.
Welche Tipps würden Sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geben, die erstmalig einen Antrag planen?
Sie sollten frühzeitig beginnen, sich mit dem Prozedere an Ihrer Einrichtung und den Antragsformularen und Evaluierungskriterien der EU vertraut zu machen. Als Einstieg empfiehlt sich die persönliche Beratung durch die örtliche EU-Referentin oder den EU-Referenten oder durch die NKS ERC sowie der Besuch einer der vielerorts angebotenen Informationsveranstaltungen, wie sie beispielsweise auch jährlich auf dem Mainzer Campus stattfinden. Die EU-Beraterinnen und -Berater der Einrichtung haben nicht nur viele (erfolgreiche) Anträge gesehen und greifen auf diese Erfahrungen zurück, sondern koordinieren auch die Einbeziehung von weiteren Abteilungen sowie die Einholung von nötigen Unterlagen wie zum Beispiel dem "Commitment of the Host Institution". Von der Europäischen Kommission wird ein gutes Englisch erwartet, daher sollte man den Antrag noch einmal möglichst von einer Muttersprachlerin oder einem Muttersprachler Korrektur lesen lassen.
Sehr hilfreich ist auch das Serviceangebot der Nationalen Kontaktstelle des ERC, die sowohl einzelne Fragen zur Antragstellung beantwortet, als auch auf Wunsch die Antragsskizzen, selbstverständlich vertraulich, durchsieht.
Welchen Tipp würden Sie anderen EU-Referentinnen und -Referenten geben, die noch wenig Erfahrung mit "ERC Proof of Concept"-Grants haben?
Empfehlenswert ist es, den sehr detaillierten Anweisungen in den "Information for Applicants" zu folgen und die Kollegen vom Technologietransfer für die Fragen zur Marktanalyse, Businessplänen, Verwertung etc. sowie die Drittmittelabteilung für die Budgetplanung einzubeziehen. Da die Antragstellung im Funding & Tenders Portal erfolgt, sollte man sich frühzeitig mit dem Portal, das regelmäßig Neuerungen aufweist, auseinandersetzen, um den Antragstellern besser helfen zu können. Wenn an der Einrichtung vorhanden, können erfolgreiche Anträge auch bei der Antragsberatung herangezogen werden. Gerne nutze ich hier auch die Evaluation Summary Reports von abgelehnten Anträgen.
Was sind die größten Stolpersteine bei der Antragstellung und Projektdurchführung?
Bei der Antragstellung ist ein gutes Zeitmanagement für die Antragsgestaltung unabdingbar. Die nötigen Angaben für die Formulare im Portal, die Erstellung zusätzlicher Dokumente sowie die Budgetplanung benötigen zusätzlich Zeit.
Bei der Vertragsgestaltung kann es zu Verzögerungen durch Fragen zur Ethik kommen. Daher sollte die Erstellung des Ethics Self Assessment sehr sorgfältig erfolgen. Die verspätete Einstellung von Teammitgliedern kann problematisch sein, da eine kostenneutrale Projektverlängerung schwierig ist und die Projektlaufzeit mit 12 beziehungsweise 18 Monaten sowieso schon sehr kurz ist. Jegliche Änderungen – am Budget oder auch im Arbeitsplan – sollten frühzeitig mit dem zuständigen Projektbearbeiter abgeklärt werden, um Probleme, beispielsweise bei der Kostenerstattung, zu verhindern.
Wie hat Sie die NKS ERC bei der Antragsvorbereitung unterstützt?
Zu Beginn meiner Beratungstätigkeit habe ich an den Seminaren der NKS ERC teilgenommen, um mich selber zu informieren. Seitdem empfehle ich allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Teilnahme an diesen Seminaren, die wir zusätzlich gemeinsam mit der Nationalen Kontaktstelle regelmäßig vor Ort durchführen, wobei die Ausführungen zu den PoCs natürlich nur einen kleinen Exkurs darstellen.
Im konkreten Fall des Antragsprozesses habe ich schon oft die NKS ERC telefonisch kontaktiert, die meine Fragen aller Art, sei es zum Finanzplan oder zu inhaltlichen Aspekten, schnell und überaus kompetent beantwortet hat.
Welchen Stellenwert haben ERC-Grants in Ihrer Einrichtung?
Der ERC-Grant stellt sowohl für die Wissenschaftlerin beziehungsweise den Wissenschaftler als auch für uns als Forschungseinrichtung eine besondere Auszeichnung dar. Die Einwerbung von PoCs zeigt aber auch, dass die ERC-Grantees tatsächlich – wie von der EU gefordert – über die Grundlagenforschung hinaus innovativ tätig sind.
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